Buchvorstellung: Spur der Steine
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Buch von Erich Neutsch
Illustration des Schutzumschlages Thomas Schleusing
Erschienen im Mitteldeutschen Verlag Halle - Leipzig
28. Auflage
1964
Buch von Erich Neutsch
Illustration des Schutzumschlages Thomas Schleusing
Erschienen im Mitteldeutschen Verlag Halle
28. Auflage
1964
Geld, Frauen und das Gefühl, ein Herrscher zu sein auf dem Bau: Das vor allem gehört zum Bild vom angenehmen Leben für den unruhig von Baustelle zu Baustelle streunenden Glückssucher Hannes Balla. Er rebelliert, trumpft auf, wehrt sich: gegen die Anweisungen der Bauleitung, die Forderungen der Partei, gegen sein Gefühl für Katrin Klee, die junge Diplomingenieurin, gegen Horrath, den neuen Parteisekretär von Schkona. Und doch beginnt er zugleich an der Gültigkeit der lange gehegten Glücksideale zu zweifeln...
Mehr und mehr ist er vor allem von Horrath und der Konsequenz seiner Haltung beeindruckt, von Horrath, der für ihn dem Bezirkssekretär gegenüber eintritt und sich nicht scheut, für das einmal als richtig Erkannte sogar eine Parteistrafe auf sich zu nehmen. So sind Ballas Rebellionen, ja sogar sein Schkonaer Streik nur Stationen der konsequent und mit all ihren Widersprüchen gezeichneten Entwicklung eines Menschen, der zur Erkenntnis seiner selbst und seiner Position in der Republik kommt...
Und doch ist das keimende Freundschaftsverhältnis zwischen Horrath und Balla bedroht: Horrath scheint ein Doppelleben zu führen. Er weiß in seine persönlichen Beziehungen keine Ordnung zu bringen. Er vermag sich weder für Katrin Klee, die von ihm ein Kind erwartet, noch für seine Frau Marianne zu entscheiden. Wie wird sich Balla verhalten, wie Horrath? Wie entscheidet die Partei, nachdem bekannt wird, dass Horrath sie bewusst irregeführt, dass er geheuchelt, kein Vertrauen zu den eigenen Genossen gehabt hat...?
Erik Neutsch hat lange an diesem Roman gefeilt. Unzählige Anfänge wurden verworfen und so manche Diskussion im Familien- und Freundeskreis geführt. Das Buch ging Anfang 1964 in Druck und wurde selbst in dieser Zeit mehrfach geändert in einigen Passagen. 1965 bot das DEFA-Studio für Spielfilme dem Filmregisseur Frank Beyer die Romanvorlage zur Verfilmung an, der seinerzeit zum festen Mitarbeiterstab der DEFA gehörte, jedoch anfangs von diesem Projekt nicht wirklich überzeugt war. Beyer habe, wie er selbst später sagte, einige Zeit benötigt, die Qualität des umfangreichen Stoffes zu erkennen. Der Film wurde 1966 unter der Regie von Frank Beyer im Auftrag der Deutschen Film AG (DEFA) produziert und nach seiner Premiere abgesetzt.
Doch an Aktualität finde ich, hat das Buch nichts verloren. Auch heute gibt es noch Ballas und Horraths, die uns den Alltag nicht einfacher machen. Glücksritter, die das schnelle Geld machen wollen, teilweise auch auf Kosten der Gesellschaft, gibt es auch in diesem vereinigten neuen Deutschland. Heute heißen die Typen nicht Horrath, sondern Wachsmann, Krüger oder Balzer und es ist wichtiger denn je, welches Parteibuch der Neu-Horrath hat. Vom Typ "Balla" gibt es leider nicht mehr so viele, da Stillhalten und Schweigen heutzutage besser ist, damit man nicht Gefahr läuft den Betriebsfrieden zu stören. Kritik an der Gesellschaft ist genauso wenig angebracht, wie zu DDR-Zeiten. Schnell bekommt man sonst einen Stempel aufgedrückt.
Erik Neutsch erhielt für dieses Buch den Nationalpreis der DDR II. Klasse für Kunst und Literatur.
Bearbeitungsstand: 16.03.2025